Die Nachricht über die Bestätigung der Haftstrafe gegen den HDP-Abgeordneten und Menschenrechtsaktivisten Ömer Faruk Gergerlioglu durch den Obersten Gerichtshof der Türkei hat uns tief erschüttert. Das jeweilige Bestätigungsurteil stellte die Rechtmäßigkeit der Verhängung der Haftstrafe von 30 Monaten wegen ‚Verbreitung terroristischer Propaganda‘ fest. Es ist offensichtlich, dass dieses Urteil ein willkürlicher Eingriff in die Rechte auf freie Meinungsäußerung und parlamentarische Immunität von Herrn Gergerlioglu darstellt und ein faires Gerichtsverfahren missachtet.
Die Haftstrafe gegen Herrn Gergerlioglu wurde wegen des Retweets einer vom türkischen Newsportal T24 veröffentlichten und noch immer zugänglichen Nachricht verhängt. Es ist eine juristische Groteske, dass man das Retweet einer Nachricht, die von den Gerichten in keinster Weise beanstandet wurde, zum Verbrechen erklärt hat, wodurch ein engagierter Menschenrechtsaktivist und Abgeordneter zu Haftstrafe verurteilt wurde. Die Vorgehensweise der türkischen Regierung, die Oppositionellen zu Terroristen zu erklären, dient ja bekanntlich dazu, die regierungskritischen Stimmen im Land zum Schweigen zu bringen.
Herr Gergerlioglu hat sein Leben den Menschenrechten gewidmet. Er war stets solidarisch mit allen Opfern von Menschenrechtsverletzungen und hat bisher jegliches Unrecht unabhängig von der Herkunft und Ideologie der Opfer bekämpft, was der Öffentlichkeit wohl bekannt ist. Seine unermüdlichen Bemühungen um die Verteidigung der Menschenrechte werden sowohl in der Türkei als auch im Ausland mit großer Wertschätzung wahrgenommen. Er hat viele Fälle von Menschenrechtsverletzungen wie der Folter, gewaltsamen Verschwindenlassen, erniedrigenden Leibesvisitationen und unzähligen Rechtsberaubungen in den Gefängnissen aufgedeckt, die sonst vertuscht worden wären. Wir als Mitglieder von InstituDE schulden ihm besonderen Dank, da er im Jahr 2019 die Öffentlichkeit über die Folter an den ehemaligen Diplomaten im Polizeipräsidium in Ankara informierte. In den meisten Fällen haben die Bemühungen von Herrn Gergerlioglu erheblich dazu beigetragen, der erlebten Leidensgeschichte ein Ende zu setzen.
Es ist kein Geheimnis, dass die AKP-Regierung Herrn Gergerlioglu als ein Hindernis an der Vertuschung der in den letzten Jahren begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen betrachtet. In dieser Hinsicht machten ihm die Vertreter der türkischen Regierung in letzter Zeit schwere Vorwürfe. Insbesondere seine Enthüllung über die erniedrigenden Leibesvisitationen der Inhaftierten ermutigte unzählige Frauen aus jeglicher Weltanschauung im Land dazu, mit ihrer Geschichte über die Leibesvisitationen an die Öffentlichkeit zu gehen, was den Innenminister Süleyman Soylu veranlasst hat, die Justiz offen anzuweisen, das Ermittlungsverfahren gegen Herrn Gergerlioglu einzuleiten. Aus demselben Grund machte auch die stellvertretende Vorsitzende der AKP-Fraktion Özlem Zengin Herrn Gergerlioglu den Vorwurf, das Parlament terrorisieren zu wollen. Das Hafturteil gegen Herrn Gergerlioglu ist deshalb ein Beweis dafür, dass die Regierung die Justiz gegen die regierungskritischen Stimmen und Menschenrechtsaktivisten als Waffe einsetzt.
Herr Gergerlioglu verkörpert die Gewissenhaftigkeit in unserer Zeit und ist in diesem Gerichtsprozess absolut unschuldig.
Aus diesem Anlass appellieren wir an die internationale Gemeinschaft, sich mit Herrn Gergerlioglu solidarisch zu zeigen und die Vermeidung der Menschenrechtsverletzungen von der türkischen Regierung nachdrücklich aufzufordern.